V Международная научно-практическая конференция молодых ученых и студентов «Стратегия экономического развития стран в условиях глобализации» (14 февраля 2014 года)

Prof., Dr. rer. pol.Graf H.-W., Dr. of Econ., prof. Meshko N. P., Pavlovych A. V.

Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences Der Oles Honchar Dnipropetrowsker Nationale Universität

ARMUTSMESSUNG IN DER EU UND IN DEUTSCHLAND

(1) Methodische Probleme mit der Messung der «Armut»

Das Thema «Armut» und «Armutsmessung» und deren sozialpolitische Bekämpfung hat in der europäischen Werte- und Sozialgemeinschaft einen hohen Stellewert. Wichtig ist deshalb die Frage: «Wie kann man den schillernden Begriff «Armut» in der EU-28 statistisch vergleichbar erfassen, wie kann man «Armut» messen?» Diese Fragestellung bildet die zentrale Grundlage für eine erfolgreiche sozialpolitische Armutsbekämpfung. Da Armut nicht eindimensional definiert werden kann, wurden zur Messung und zum länderübergreifenden Vergleich der Niveaus der Armut in der EU und Deutschland bis zum Programm «EUROPA 2020. Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum» (2010) bereits drei sich erweiternde Konzepte entwickelt: (1) das Konzept der relativen Einkommensarmut; (2) das Konzept der erheblichen materiellen Enthebung; (3) das Konzept Erwerbslosenhaushalte (Klocke, 2000, S. 313; Deckl, S. 903). Mit dem genannten Programm kam ein viertes Konzept hinzu, das die zuvor entwickelten Konzepte mit ihren Sozialindikatoren zu einem Gesamtkonzept bündelt, dies ist das Konzept der Armut und sozialen Ausgrenzung.

(2) Das Konzept der relativen Einkommensarmut und der Sozialindikator «Anteil der armutsgefährdeten Bevölkerung»

Entscheidend ist dabei der Unterschied zwischen armutsgefährdete und nicht gefährdete Bevölkerung. Im Einklang mit EU-SILC (EU statistics on income and living conditions) gilt ein Mensch als armutsgefährdet, wenn der Median des Nettoäquivalenzeinkommens weniger als 60 beträgt. Das Median-Einkommen in Deutschland im Jahr 2011 betrug 1633 Euro pro Monat. Nach dem Konzept der relativen Einkommensarmut lag der 60 – Schwellenwert für die Armutsgefährdung bei 980 Euro pro Monat (Deckl, 2013, S. 895, 896). Das bedeutet, dass eine alleinstehende Person die weniger als diese Summe pro Monat verdient als armutsgefährdet eingestuft werden muss.

Um die Armutsgefährdungsquote zu definieren, brauchen wir einen Durchschnittswert für die EU-Mitgliedstaaten. Nach diesem Prinzip, kann man berechnen, dass die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2011 in der EU bei 17,0 lag. Für Deutschland lagen die Vergleichswerte bei 16,1 (2011) (Deckl, 2013, S. 896, Tab. 4). Für auf mein Heimatland, die Ukraine, lag im Jahr 2011 die Armutsgefährdungsquote bei 24,3 (Q.: Institut für Demographie und soziale Forschungen der Ukraine und Staatliche Dienst für Statistik).

(3) Das Konzept der Unterversorgung und der Sozialindikator «Anteil der Bevölkerung, der unter erheblicher materielle Enthebung leidet»

Während das Einkommenskonzept davon ausgeht, dass ein ausreichendes Haushaltseinkommen eine würdige Lebensweise gewährleisten kann, versucht das Unterversorgungskonzept den Ausschluss aus bestimmten Lebensbereichen zu messen. Entsprechend dieses Konzepts wird die Armut durch eine kumulative Unterversorgung in verschiedenen Lebensbereichen ermittelt. Diese Methode ist, so zu sagen, vergleichbar zur Konzeption der Einkommensarmut, aber es gibt auch ein bestimmtes Unterschied. Das besteht darin, dass man verschiedene Lebenslage nimmt (wie Z. B. Einkommen, Arbeit, Bildung, Wohnen) und verschiedene Quoten dazu rechnet. Als generell arm im Sinne des Unterversorgungskonzeptes gilt, wer in mindestens zwei dieser vier Bereiche eine Mangelversorgung erfährt (Klocke, 2000, S. 317).

Deprivation beschreibt allgemein einen Zustand der Entbehrung bzw. des Verlustes. Das Besondere an diesem Ansatz zur Armutsdefinition ist der subjektive Blickwinkel. Um mit Hilfe dieses Konzepts das Armutsniveau bewerten zu können, verwendet die Europäische Union 9 Deprivationskriterien. Man kann diese Kriterien in der folgenden Tab. 1 entnehmen.

Tabelle 1 «Erhebliche materielle Erhebung»

Kriterium

1

Finanzielles Problem, die Miete oder Rechnungen für Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen

2

Finanzielles Problem, die Wohnung angemessen heizen zu können

3

Finanzielles Problem, unerwartete Ausgaben in einer bestimmten Höhe aus einigen finanziellen Mitteln bestreiten zu können

4

Finanzielles Problem, jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige vegetarische Mahlzeit einnehmen zu können

5

Finanzielles Problem, jährlich eine Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen

6

Fehlen eines Personenkraftwagens im Haushalt aus finanziellen Gründen

7

Fehlen einer Waschmaschine im Haushalt aus finanziellen Gründen

8

Fehlen eines Farbfernsehgeräts im Haushalt aus finanziellen Gründen

9

Fehlen eines Telefons im Haushalt aus finanziellen Gründen

Quelle: Deckl, 2013, S. 900, Übersicht 2.

Für jedes Kriterium muss ein ausgewählter Haushalt «ja» oder «nein» entscheiden. Entsprechend den Daten für Jahr 2012, leiden in Deutschland 4,9 der Bevölkerung unter erhebliche materielle Entbehrung, in der EU-28 liegt der Vergleichswert mit 9,9 um ganze 5 höher (Deckl, 2013, S. 901, Tab. 9).

(4) Das Konzept der Erwerbslosenhaushalte und der Sozialindikator «Anteil der Bevölkerung in Erwerbslosenhaushalten»

«Ein Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung liegt nach der EU-Definition für EU-SILK dann vor, wenn die tatsächliche Erwerbsbeteiligung (in Monaten) der im Haushalt lebenden, erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder im Alter von 18 bis 59 Jahren im Einkommensjahr insgesamt weniger als 20 ihrer potenziellen Erwerbsbeteiligung betragen hat» (Deckl. S. 902).

Vergleich man die Kennziffern von Deutschland und die EU-28, so können wir festlegen, dass die Quotenwerte in Deutschland 2011 für «arme» und «materiell deprivierte Menschen» mit 19,6 gleich waren. In der EU-28 lagen die Werte mit 24,8 rd. 5 über dem deutschen Wert (Deckl, 2013, S. 903).

(5) Das Konzept der Armut oder der sozialen Ausgrenzung und der Sozialindikator «Anteil der von Armut oder soziale Ausgrenzung betroffenen Bevölkerung»

Aus der Zusammenfassung der drei erstgenannten und den daraus resultierenden sieben möglichen Gefährdungslagen ergab sich für Deutschland auf der Grundlage der Einkommenswerte für das Jahr 2011 eine Quote von 19,6 der Bevölkerung (Deckl, 2013, Übers. 3, S. 903). Das bedeutet, dass fast jeder fünfte Bundesbürger von Armut oder soziale Ausgrenzung betroffen war. In der Eurozone stieg der Vergleichswert kontinuierlich von 21,6 (2008) auf 23,2 (2012). Für die Europäische Gemeinschaft bedeutet dies, dass fast jeder vierte ihrer Bürger auf der Grundlage der Einkommens- und Sozialwerte von 2011 von Armut oder soziale Ausgrenzung betroffen war.

(6) Fazit

Hauptziel dieses Artikels war es, die vier Konzepte der Armutsmessung in der EU-28 wie in Deutschland kurz vorzustellen. Deutlich wurde dabei, dass die vier Konzepte im Verlauf eines längeren Zeitraums historisch entwickelt wurden. Dabei kam es auf zwei wesentliche Punkte an: Einerseits muss die «Soziale Wirklichkeit in der EU statisch adäquat erfasst und vergleichbar dargestellt werden. Anderseits muss eine rationale Grundlage für eine politische Auseinandersetzung über die Ursachen, die Betroffenheit und die gezielte sozialpolitische Bekämpfung der «Armut» in der EU gelegt werden. Da «Armut» kein statisches Phänomen ist, kann davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahren das Konzept der Armutserfassung erneut an die «Soziale Wirklichkeit» angepasst, also modifiziert werden muss.

Literaturverzeichnis:

1. Deckl S. (2013): «Armut und soziale Ausgrenzung in Deutschland und der Europäischen Union», in: Wirtschaft und Statistik, H. 12. – S. 893–905.

2. Andreas Klocke: «Methoden der Armutsmessung», in: Zeitschrift für Soziologie, H. 4. – S. 313–320.

3. Bericht von Ministerium der Ökologie und der Naturschätze der Ukraine. – [Електронний ресурс]. – Режим доступу: http://www.menr.gov.ua/docs/activity-ecopolit/Nacdopovid2012.doc